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Konzert zum 75. Juniläum des Quartettverein Herchen

 

 

 

Stimmen aus dem Publikum

 

26.11.2011 - Walter Dohr, Chorredakteur, schreibt über das stattliche Vierstunden-Programm, an dessen Ende Standing-Ovations gegeben wurden:

Wie es euch gefällt

Man hätte meinen können, dass William Shakespeare mit seinem berühmten Bühnenstück „Wie es euch gefällt“ in der reizend dekorierten und vollbesetzten Aula des Herchener Bodelschwingh-Gymnasiums höchstpersönlich die Regie geführt hätte. Doch es war nicht der altenglische Bühnenmeister, sondern mehr oder weniger der Vorstand des „Quartettvereins Herchen“ und die Chorleiterin Katrin Waldraff selbst, die die musikalischen Fäden zum Jubiläumskonzert am Vorabend des 1. Advent zum 75-jährigen Bestehen des „Quartettverein Herchen“ jederzeit fest in ihren zarten Händen hielt.

Wie gibt man einem so prächtigen Publikum am besten genug Hafer? Indem man es ganz simpel beim musikalischen Nerv trifft. Es war genüßlich und herzerfrischend wie man in der Aula zu Werke ging. Keine „Königin der Nacht“ und auch kein „Priesterchor“ aus Mozarts Freimaurer-Oper „Die Zauberflöte“, sondern die Zipperlein („He deit et wih un do deit et wih“) von den Kölner Barden „Bläck Fööss“ oder „Das grenzenlose Chaos bei der Chorprobe des Quartettvereins in Herchen“ (Reinhard Mey lässt grüssen!) und obendrein die Titelmelodie aus der Science-Fiction-Fernseh-Serie „Star Trek“ in einem gekonnten Arrangement von Dr. Reinhard Barth (künstlerischer Leiter von „Swabian Brass“, Trompetenspieler und Arrangeur). Wenn da die Herzen nicht höher schlagen.

Der Quartettverein eröffnete das Jubiläumskonzert quasi mit einer festlichen Note durch den Festgesang „Musik, du heilige Kunst“ von Chr. Siegler ohne Noten und in bester a-cappella-Manier, wobei die zierliche Dirigentin hellwach und mit ausdrucksvollen Gesten durch die Partituren führte und die Moderation übernommen hatte. Es gibt mehrere Eckpunkte beim Singen (nach den sinnfälligen Worten des Vorsitzenden Bernd Rappelt eine gesunde, sinnvolle und die Gemeinschaft fördernde Freizeitbeschäftigung), zu denen gehören das Singen ohne Noten, eine klare Diktion, ein sicheres Gespür für Stimmübergänge, eine ausgeprägte Pianokultur, rhythmische und dynamische Gestaltung und ebenso die Sicherheit bei Stimmansätzen und Lautstärkewechseln. Das Auswendig-Singen (so schön und empfehlenswert das vor allem für Laienchöre ist) birgt jedoch die stete Gefahr in sich, dass sich immer wieder Textfehler einschleichen. Ein kluger Zeitgenosse hat einmal gesagt, dass man erst auswendig singen sollte, wenn auch der letzte Sänger (!) alle Tonfolgen und den Text schlafwandlerisch beherrscht. Doch das wissen die sympathische Dirigentin („Sänger und Bläser leben länger“) und die Jubiläumssänger sicher längst.

So gerieten nicht nur die gebührende Reverenz an die Musik, sondern auch die selten gehörte Weise „Auf grünen Wanderwegen“ (in einer Chorbearbeitung von Otto Groll, bei dem man höllisch bei den Tempi, bei der Aussprache und beim Duktus aufpassen muss), das hymnische „Am kühlenden Morgen“ von Robert Pracht, der besinnlich-nostalgische Liedsatz aus der Kinderzeit, mehrere Trinklieder (unter ihnen ein uriges, das das Singen und Trinken im einem Zuge lobt) oder der vertraute Liedsatz „Bergheimat“ von Rudolf Desch zu bejubelten Interpretationen. Doch mit dem „Klagelied auf die körperlichen Gebrechen“, das von den „Bläck Fööss“ so authentisch besungen wird, schoß der „Quartettverein“ den Vogel ab und brachte das Publikum in prächtige Schunkellaune.

Einige der Vertreter der Orts- und Nachbarvereine lobten das kulturelle Engagement, das vorbildliche Wirken von Katrin Waldraff und dafür, dass man offensichtlich keine Nachwuchsprobleme habe (dennoch warb man um weitere Sänger, die sich mittwochs ab 20.00 Uhr zur Chorprobe in der Herchener Gaststätte „Kothen“ einfinden könnten) und recht optimistisch in die Zukunft blicken könne.

 

Die „Donnerbüchsen“ (ein beherzt singendes Vokalsextett aus den Reihen des „Quartettvereins“) sicherten sich ebenfalls Pluspunkte und entpuppten sich regelrecht als humorige und stimmlich gewandte „Troubadoure des Siegtals“. Sie hatten Reinhard Meys Erfolgstitel „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ in pfiffiger und pikanter Manier umgemünzt und das „grenzenlose Chaos“ bei der Chorprobe besungen. Das kann man sich bei Katrin Waldraff eigentlich gar nicht so recht vorstellen; aber den Singspaß war es allemal wert. Jedenfalls hatte das Publikum seine helle Freude an den „Barden aus dem Windecker Ländchen“, die sich in letzter Zeit doch ein wenig rar gemacht haben. Vielleicht hat ihnen der viel beklatschte Auftritt  wieder neuen Mut und Tatendrang gegeben.

Reichlich Applaus verdiente sich auch der Gemischte Chor „ChoriAnders“ aus Puderbach im Westerwald (der quasi Noten frei in Erscheinung trat), der von der Chorleiterin im September 2009 ins Leben gerufen worden ist und längst seine musikalische Feuertaufe bestanden hat. Peter Moldovany, der wie die Dirigentin den einen oder anderen Liedsatz auf dem Klavier begleitete, agierte als Chortenor und Arrangeur. So hatte er dem inspirierten Gastchor ein zauberhaftes Morgenlied („Im Nebel ruhet noch die Welt“) auf „den Leib geschneidert“, dem er selbst die rechten Klaviertöne beigab. Ausserdem intonierten die zwei Dutzend Singstimmen den zeitgenössischen skandinavischen Filmtitel „Gabriella's Song“ aus "Wie im Himmel", die liebliche Westerwälder Volksweise „Steh´n zwei Stern´ am hohen Himmel“, das glaubensfrohe Spiritual „Let my shine bright“ und den im Jahre 1969 geschriebenen Beatles-Titel „Let it be“, der noch nichts von seiner sozialkritischen Aussage verloren. Auch in Puderbach ist man Dank Katrin Waldraff auf dem richtigen musikalischen Weg.

Das dürfte gewiss auch auf den Frauenchor „Frauen3Klang Herchen“ zutreffen, der sich leider erst nach der Konzertpause präsentierte.

Die Dirigentin (wiederum Chorgründerin vor zwei Jahren), tituliert nicht umsonst über das Ensemble, dass es für sie eine „feminine Chorknospe“ sei. So wie ich Katrin Waldraff kenne, wird sie wirklich alles tun, dass diese Knospe immer mehr erblüht und das Windecker Ländchen musikalisch und kulturell bereichert.

Sie hat schon vor drei Jahren dafür gesorgt (einer der beiden Trompetenspieler, der auch den humorigen Moderator des Bläserquintetts spielte, ist der Schwager der gebürtigen schwäbischen Dirigentin), dass das “Swabian Brass“ (wie banal würde „Schwäbisch Blech oder Blechle“ klingen) seine vorzüglich musikantische Visitenkarte im Luftkurort vorzeigen konnte. Da der zweite Trompetist, Dr. Reinhard Barth, das Siegtal mit dem Westwald verwechselt hatte, kam das Publikum in den zünftigen Genuss des bekannten Westerwaldliedes, in dem bekanntlich die kalten Winde nur so über die Höhen pfeifen. Der Mediziner hat das stimmungsvolle Lied für das Bläserensemble arrangiert und damit genau ins Schwarze getroffen. Das Publikum sang spontan mit und klatschte gleich kräftig und überwältigt den zackigen Rhythmus dazu.

Die Bläser (von denen sich auch einige solistisch hören liessen), ergänzt durch Flügelhorn, Posaune und Baßtrompete, dankten überschwenglich für die herzliche Gastfreundschaft an der Sieg und revanchierten sich mit dem virtuos gespielten Arrangement von „Star Trek“, dem „Florentiner Marsch“ (der alte Brummbär für Fagott und Blasorchester) des Prager Komponisten Julius Fucik, „Just a closer walk“ (das durch die „Canadian Brass Band“ so populär geworden ist) und einem wunderschönen Renaissancestück, das die Worte des Quintetts unterstreicht, Musik aus sechs Jahrhunderten zu repräsentieren. Wenn man die erwähnte Science-Fiction-Melodie hinzu rechnet, sind es sogar mehr als vier Jahrtausende, wie der Moderator schmunzelnd meinte. Von den Bläsern kann man nur in den höchsten Tönen schwelgen. Sie sind durch und durch musikantisch und beherrschen ihr Metier auf überzeugende und professionelle Weise. Beim „Florentiner  Marsch“ geriet das Publikum wiederum aus dem Häuschen und hatte die fulminanten Musiker vom ersten Augenblick ins Herz geschlossen, wie das bei Katrin Waldraff schon seit mehreren Jahren der Fall ist. Der Erlös der Pausenbewirtung war für das Kamerun-Projekt „Dass Einer des Anderen Sprache verstehe“ bestimmt, das vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde.

Walter Dohr, Chorredakteur

 

Und auf der Heimfahrt vom Konzert schrieb eine Zuhörerin:

"Ist es benennbar, vielleicht zu beschreiben, zu empfinden, zu fühlen was passiert, wenn in einer Schulaula eines kleinen Ortes Herchen sich drei Chöre und eine Brassband mit vielen Hunderten von Zuhörern versammeln, eine grazile  junge Dame vor einem großen Halbrund kräftiger Mannsbilder ihre Arme ausbreitet, die Hände wie zwei Schmetterlinge von Blüte zu Blüte schwingen lässt und diese Männer sich aufrichten und ihr Bestes in die Musik legen, ihre Freude, die Liebe, die Andacht, die Seelen für zwei und eine halbe Stunde ihrem Alltag entfliehen und sich gemeinsam einer Sache hingeben, Damen und Herren mutig, klar, rhythmisch in der Farbenfülle heller und tiefer Töne miteinander klingen, fünf große „Buben“ voller Humor  Blech vom Feinsten von sich geben, grüne junge Damen ihre Stimmen, ihr inneres Summen, ihren Körper mit aller weiblicher Ausstrahlung entdecken und es zu einem gemeinsamen Klang wachsen lassen… es begeistert, verzückt, erwärmt, lässt einen dahin schmelzen, schelmisch lachen, löst Jubel aus, beglückt, streichelt die Seelen, lässt den Saal erstrahlen und öffnet die Türen und Tore des Herzens, der Seelen und des Geistes und vieles mehr -"

In Dankbarkeit eine Zuhörerin

Eva Werner

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